Markus Eichel zeigt seinen aktuell größten Schatz: eine schmale Blüte in violett, ungefähr 20 Zentimeter lang. Die Teufelszunge blüht äußerst selten, vielleicht alle vier Jahre. Die Pracht hält leider nicht lange an, nach wenigen Tagen sackt die stattliche Blüte schon
wieder zusammen. Der Gärtnermeister für die Gewächshäuser im Botanischen Garten nimmt den Blumentopf vorsichtig in die Hände und hält ihn seinem Besuch unter die Nase. Es stinkt. Nach Verwesung. In ihrer natürlichen Umgebung in Südostasien betört die Teufelszunge mit ihrem markanten Geruch Aasfliegen, die die Blütenstände anfliegen und sie bestäuben sollen.
Auch die Sumpforchidee blüht, ein paar Meter neben der Bananenstaude. Der trug vor kurzem noch gelbe Früchte, die hängen nun braun und vertrocknet am Stamm. »Die Ur-Banane ist zum Essen nicht geeignet«, erklärt Markus Eichel. Mit unseren süßen Supermarktbananen hat sie nämlich wenig gemein. Sie hat kaum Fruchtfleisch, dafür viele Kerne – zur Freude des 33-Jährigen. So wie alle Gärtner im Botanischen Garten sammelt er in seinem Quartier das ganze Jahr über Samen. Die werden getrocknet und geputzt, jetzt im Winter feinsäuberlich verpackt und beschriftet. Das Saatgut ist nicht nur die eiserne Reserve für die eigenen Flächen. Der wissenschaftliche Garten der Rostocker
Universität ist Teil eines weltweiten Tauschrings zwischen 550 Botanischen Gärten. »Jedes Jahr erstellen wir einen
aktuellen Samenkatalog, den wir digital an alle anderen verschicken« erklärt Dr. Dethardt Götze, Kustos des Uni-Gartens. So kommt es, dass echte Mecklenburger Pflanzen auch in Asien wachsen. Begehrt ist anderswo zum Beispiel das Breitblättrige Knabenkraut aus Rostock.
»Wir haben das Glück, dass es bei uns in der Moorwiese des
Kayenmühlengrabens perfekte Bedingungen findet.« Umgekehrt schicken Partnergärten Samen von exotischen Arten an die Ostsee. Etwa 7.000 unterschiedliche Pflanzen aus aller Welt wachsen in den Grünanlagen am Holbeinplatz. »Der Samentausch ist die Lebensader der Botanischen Gärten.«
Manchmal gehen Pflanzen in die Knie, weil sich die klimatischen Bedingungen verändern oder sich genetische Defekte eingeschlichen haben, so der Kustos. Jeder Gärtner führt für sein Quartier penibel Buch über Zustand, Veränderungen und Ausfälle. »Wir brauchen ständig frisches Saatgut.«
Der fast acht Hektar große, öffentliche Garten zeigt sich aktuell vielleicht nicht von seiner prächtigsten Seite. Aber kahle Mammutbäume und Sumpfzypressen haben auch ihren Charme.
Und dass die Blätter fehlen, ist gut für Schneeglöckchen, frühe Alpenveilchen und wilde Krokusse. »Frühblüher wachsen so niedrig, dass sie kaum Sonnenlicht abbekommen würden. Nur jetzt, wo Bäume und Büsche ohne Blätter sind, haben sie eine Chance«, erklärt Markus Eichel. Die ersten Alpenveilchen im Alpinum blühen
übrigens schon und auch der frühblühende Rhododendron dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Der Gärtnermeister: »Wenn es in den nächsten Wochen mild bleibt und die Wärmesumme stimmt, dann schießen die Wachstumshormone und die Knospen öffnen sich.« So erfreulich das für die Besucher wäre: Für die Pflanzen wünscht sich der Fachmann erstmal knackigen Frost. »Der Winter war bisher nicht kalt genug, um die Schädlinge, ihre Eier und Larven zu töten. Dafür braucht es eine Woche Dauerfrost.« Wenn der nicht kommt, wird’s wahrscheinlich ein Sommer der kleinen Plagegeister.
Tipps für Gärtner
Zwiebeln für Frühblüher braucht man jetzt nicht mehr in die Erde stecken. Sie benötigen eine sechswöchige Kältephase im Winter, sonst lassen sich die Blüten nicht blicken – zumindest nicht mehr in diesem Jahr. Pflanzzeit für Frühblüher ist der Herbst.
Wer seinen Garten bis jetzt nicht umgegraben hat, sollte das nachholen. Markus Eichel rät, die groben Erdschollen, die man mit dem Spaten aushebt, vorerst liegenzulassen. Dann kann der Frost einmal durchziehen, die Bodenstruktur verbessert sich.
Die ersten Gemüsepflanzen für den Balkon oder Garten kann man jetzt vorziehen. Samen von Paprika, Kopfsalat und Kohlrabi gedeihen auf der Fensterbank in spezieller Anzuchterde. In einigen Wochen ziehen die robusten Pflänzchen dann um nach draußen.
Botanischer Garten
Besuchereingang: Hamburger Straße / Holbeinplatz
Öffnungszeiten bis 28. Februar: täglich 9 – 16 Uhr
Loki-Schmidt-Gewächshäuser: Mo bis Do 10 – 12.30 Uhr und 13 – 15 Uhr
Info unter: