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Professor Christian Junghanß ist Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie. Ehrenamtlich hat er vor fünf Jahren den Vorsitz der Krebsgesellschaft MV übernommen.

Wissenswertes

Narben fürs Leben – Wenn die Diagnose Krebs alles auf den Kopf stellt

500.000 Menschen pro Jahr bekommen in Deutschland eine Krebsdiagnose. Sie brauchen beste medizinische Behandlung und Unterstützung in vielen Lebensbereichen.

Ein Interview mit Professor Christian Junghanß, Krebsspezialist an der Universitätsmedizin Rostock, ist der ehrenamtliche Vorsitzende der Krebsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Die Diagnose Krebs reißt Patienten und ihren Familien den Boden unter den Füßen weg. Krebs macht uns schreckliche Angst. Ist das angesichts des medizinischen Fortschritts noch begründet?
»Eine Krebsdiagnose ist ein Schock. Krebs ist eine existenzielle Erkrankung, da schwingt immer auch die Angst vor der Endlichkeit mit. Krebs ist immer noch Krebs. Tatsächlich ist das Risiko hoch: Jeder Vierte bekommt im Laufe seines Lebens eine Krebsdiagnose. Allein in MV sind es rund 12.000 pro Jahr. Die gute Nachricht: Die Medizin hat riesengroße Fortschritte gemacht. Bei einigen Krebsarten konnten in den 70er-Jahren vielleicht zehn Prozent der Patienten geheilt werden, heute sind es mehr als 80 Prozent.«

Was hat sich verbessert?

»Die Medizin kann heute viele Tumorerkrankungen heilen beziehungsweise das Leben mit dem Krebs deutlich verlängern. Vorsorgeuntersuchungen verhindern schwere Verläufe. Wenn Krebs im Anfangsstadium, bei der Darm- oder Brustkrebsvorsorge, entdeckt wird, lässt er sich oft dauerhaft entfernen. Auch in der Diagnostik tut sich eine Menge, ich denke nur an die Flüssigbiopsie: Dabei wird das Blut auf Reste und kleine Bestandteile der Krebszellen untersucht. Ich hoffe, dass man bald in einer einzigen Untersuchung unterschiedlichste Tumorarten mit hoher Sicherheit frühzeitig nachweisen kann. Auch moderne Chemotherapien sind mit denen vor 30 Jahren nicht zu vergleichen, sie sind besser verträglich. Trotzdem: Eine Chemo bringt Nebenwirkungen mit sich. Wir setzen heute oft schonendere Immuntherapien ein, die zielgerichtet auf die Tumorzellen sind und nur dort wirken. Das verbessert die Lebensqualität der Patienten. Es gibt einige Krebserkrankte, die neben ihrer Therapie normal arbeiten, wenn sie sich gut fühlen – und Außenstehende merken das gar nicht.«

Auch wenn viele Krebsarten gut heilbar sind. Krankheit und Therapie hinterlassen Spuren.
»Ein Krebspatient bleibt auch nach besiegter Krankheit ein Krebspatient. Es bleiben psychische und körperliche Narben zurück, die trägt man ein Leben lang bei sich. Allein die Furcht, dass der Krebs zurückkommt, ist eine extreme Last. Krebs beeinflusst das Leben in jeder Hinsicht. Darum ist es wichtig, sich auch neben der medizinischen Behandlung Hilfe zu holen. Beispielsweise bei der Krebsgesellschaft MV.«

Professor Christian Junghanß, Krebsspezialist an der Universitätsmedizin Rostock, ist der ehrenamtliche Vorsitzende der Krebsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V.
Professor Christian Junghanß ist Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie. Ehrenamtlich hat er vor fünf Jahren den Vorsitz der Krebsgesellschaft MV übernommen. Fotos: Mathias Rövensthal

Wie unterstützt die Krebsgesellschaft?
»Wir sind Ansprechpartner für die Krebspatientinnen und -patienten sowie ihre Angehörigen. Auch für die Krebs-Selbsthilfegruppen im Land sind wir da, helfen beim Aufbau und der Öffentlichkeitsarbeit. Wir unterstützen begleitende Angebote für Erkrankte wie Theater und Musiktherapien, Yoga, Trommelkurs und Waldbaden. Diese Dinge haben einen positiven Effekt, das ist wissenschaftlich erwiesen. Auch der ›Sunpass‹ liegt uns am Herzen: Das
ist ein Präventionsangebot für die 900 Kitas in MV. Wir wollen das Bewusstsein für Hautkrebs bei Erziehern und Eltern stärken, bieten Schulungen und Beratungen an, haben spielerische Angebote für Kinder. Aufklärung ist überhaupt eine wichtige Säule unserer Arbeit. Mit Vorsorge und gesunder Lebensweise lassen sich viele Erkrankungen vermeiden beziehungsweise rechtzeitig erkennen.«

»Wir sind für Krebserkrankte und die Angehörigen da, in jeder Phase der Krankheit.«

Professor Christian Junghanß

Auch die Angehörigen leiden und sind voller Sorge, wenn ein geliebter Mensch an Krebs erkrankt. Können die sich auch an Sie wenden?
»Wir sind für Krebserkrankte und die Angehörigen da, in jeder Phase der Krankheit. Unsere drei Beratungsteams – bestehend aus Sozialarbeiterinnen und Psychoonkologinnen – sind Ansprechpartner für alle Themen, die mit einer Erkrankung einhergehen. Nach der Diagnose helfen sie beispielsweise bei der Suche nach einem geeigneten zertifizierten Krebszentrum. Das sind Netzwerke aus ambulanten und stationären Einrichtungen. Die Deutsche Krebsgesellschaft hat Leitlinien für diese Krebszentren und ihre Zertifizierung entwickelt. Das Spektrum der Anliegen, die bei uns landen, ist breit. Nur ein paar Beispiele: Angehörige sind überfordert und suchen Unterstützung. Kinder von Patienten kommen mit der Situation nicht zurecht. Finanzielle Engpässe belasten, wenn wegen der Krankheit Einnahmen wegfallen. Ein Patient muss sein Haus umbauen. Manche finden nach der Therapie schlecht in den Alltag zurück. Und wie sieht es mit dem Wiedereinstieg in den Beruf aus? Fast 5.000 Beratungen haben unsere Teams im vergangenen Jahr in MV durchgeführt. Neben unseren festen Standorten in Rostock, Greifswald und Parchim fahren sie auch Außenstellen an. Beratungen sind auch online oder telefonisch möglich.«

Wie finanziert sich die Krebsgesellschaft?
»Mit Zuweisungen vom Land und Geld von den Krankenkassen decken wir einen Teil unserer Beratungskosten. Ohne zusätzliche Spenden, wie beispielsweise von der WIRO, könnten wir unser Angebot nicht finanzieren.«

»Beratungen sind auch online oder telefonisch möglich.«

Professor Christian Junghanß

Was kann ich selbst tun, um Krebserkrankungen zu vermeiden?
»Leben Sie gesund! Dazu muss ich etwas ausholen: Jede Zelle unseres Körpers teilt sich, um neue Zellen zu bilden. Bei der Teilung müssen alle Erbinformationen, die Chromosomen, identisch kopiert werden. Dabei passieren Fehler. Normalerweise tötet unser Körper defekte Zellen ab und verhindert so, dass die Fehler weiter kopiert werden. Wenn ich meinen Körper Giften aussetze, sei es Alkohol, Zigaretten, zu viel Sonneneinstrahlung, erhöht sich die Teilungsrate. Das treibt auch die Fehlerquote nach oben. Manch ein Fehler rutscht dann unentdeckt durch und kann an Tochterzellen weitergegeben werden. Manchmal reichen sieben solcher Fehler in einer Zelle aus, um daraus einen Krebs entstehen zu lassen. Je älter wir werden, desto schlechter funktionieren die Reparaturmechanismen. Wenn ich Zellgifte vermeide, mich viel bewege, gebe ich dem Krebs weniger Chancen. Auch Übergewicht ist ein Risikofaktor. Ganz wichtig: Nehmen Sie jeden Vorsorgetermin wahr. Und seien Sie aufmerksam. Ein unerklärlicher Gewichtsverlust ist eine Sache, die man unbedingt beim Arzt abklären sollte.«

Krebsgesellschaft MV

Die drei Beratungsteams in Rostock, Greifswald und Parchim begleiten Krebserkrankte und ihre Angehörigen in allen psychoonkologischen und sozialrechtlichen Fragen.

Rostock | 0381 12835996
krebsberatung@krebsgesellschaft-mv.de

Greifswald | 03834 8552266
krebsberatung.hgw@krebsgesellschaft-mv.de

Parchim | 0381 12835996
krebsberatung.pch@krebsgesellschaft-mv.de

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