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Elke Schilling, graue Haare, Brille, sitzt lächelnd vor einem Bücherregal, und ist die Gründerin des Silbernetz e. V., bei dem ältere Menschen aus ganz Deutschland ein offenes Ohr finden.

Wohnen + Leben

Reden hilft gegen Einsamkeit

Elke Schilling, studierte Mathematikerin, hat den Verein Silbernetz gegründet. Am Telefon finden ältere Menschen aus ganz Deutschland ein offenes Ohr.

Was brachte Sie auf den Gedanken, Silbernetz zu gründen?
»Ein persönliches Erlebnis in Berlin. Mein Nachbar starb – und wochenlang hat es keiner mitbekommen. Das darf nicht passieren! Ich wollte eine Kontaktmöglichkeit schaffen für Menschen, die niemanden haben. Ich habe mir den englischen Verein Silverline zum Vorbild genommen.«

Wer ruft bei Ihnen an? Und warum?
»Wir haben 5.000 Anrufe in der Woche, Tendenz steigend. Leider sind darunter nur wenige Rostocker. Wir wären gern für mehr Menschen aus MV da! Unsere Anrufer sind zwischen 60 und 110 Jahren alt, die Spanne der Themen ist ungeheuer groß. Wir hören genau zu, was gebraucht wird. Will jemand nur mal reden oder braucht er weitergehende Hilfe? Unser Ziel ist es, Dinge auf den Weg zu bringen.«

Elke Schilling hat Silbernet z e.V. gegründet. Die selbst silber-graue Dame imitiert auf dem Foto einen Telefonanruf.
Elke Schilling hat Silbernet z e.V. gegründet. Foto: Wolfgang Schmidt, Titelfoto: Gordon Welters

Wie denn?
»Schon Reden schafft Erleichterung. Wenn man alles mit sich ausmacht, dreht man sich im Kreis. Wir ermuntern die Anrufer, den Schritt nach draußen zu gehen. Wir geben Kontakte weiter, suchen Ansprechpartner vor Ort, wie Pflegestützpunkte oder Begegnungszentren. Daran hapert es oft schon, wenn man mit dem Internet nicht vertraut ist. Das sind Barrieren für alte Menschen.«

Was stimmt mit unserer Gesellschaft nicht, dass so viele Menschen vereinsamen?
»Wenn sie in Rente gehen, schaffen es viele Menschen nicht, sich neu und abseits des Berufs zu definieren. Dazu kommt die Angst, jemandem zur Last zu fallen. Dabei mangelt es nach meiner Erfahrung nicht an Mitmenschlichkeit. Viele Nachbarn würden gerne unterstützen – wenn sie Kontakt zu den älteren Mitbewohnern finden. Und die müssen die Unterstützung auch in Anspruch nehmen.«

Was muss man mitbringen, wenn man sich bei Ihnen ehrenamtlich engagieren möchte?
»Am Silbertelefon ist es Gesprächskompetenz. Am besten hat man Berufserfahrung in der Sozialarbeit oder als Therapeut. Die meisten unserer 350 Ehrenamtler sind Rentner, wir haben aber auch Studenten im Team. Wer eine Silbernetzfreundschaft übernehmen möchte – dabei telefoniert man wöchentlich mit einem festen Gesprächspartner – bekommt von uns eine Schulung. Man kann das Ehrenamt von zu Hause aus leisten, wir kümmern uns um die technische Ausstattung. Man sollte bereit sein, pro Woche bis zu vier Stunden seiner Zeit zu geben.« Die Weihnachtszeit naht. Wie sieht es zu dieser besonderen Zeit aus? »Vom 24. Dezember bis zum 1. Januar sind unsere
Leitungen rund um die Uhr besetzt. Die Feiertage sind eine emotional belastete Zeit. Da rufen die Leute oft nachts an, weil sie keinen Schlaf finden, sich das Gedankenkarussell dreht. Das sind oft besonders heftige Gespräche.«

Silbernetz e.V.

0800 4708090 kostenlos & anonym, täglich von 8 bis 22 Uhr

Info unter:

Plaudermobil

Adelwin Südmersen, schlank, fröhliches Lachen, hat ein ganz besonderes Gefährt: ein Plauderrad. Damit fährt er durch die Stadt und lädt zu Gesprächen ein.

Adelwin Südmersen hat ein ganz besonderes Gefährt: ein Plauderrad. Wenn der Lichtenhäger Quartiersmanager auf dem
auffälligen Lastenrad in seinem Stadtteil unterwegs ist, möchte er ins Gespräch kommen. »Es gibt hier viele Senioren, die nicht den Weg zu uns ins Stadtteilbüro oder ins SBZ finden, die würde ich gern erreichen.«

Er will wissen, was sie umtreibt, welche Sorgen sie haben, was ihnen im Stadtteil fehlt. »Und vielleicht kann ich sie für unsere Angebote wie das Stadtteilcafé begeistern.« Jeden Freitag kommen bis zu 70 Senioren auf den Brink, zum Klönen und Leute kennenlernen. »Ich möchte die Scheu vor dem ersten Schritt nehmen.«

Foto: Mathias Rövensthal

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Grafik - empfangene E-Mail, Hand hält ein Mobiltelefon mit einem Icon, dass eingegangene E-Mails anzeigt

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